Die Raumschmiede gehört zu den dynamischsten E-Commerce-Firmen im Home&Living-Segment. Die Onlineshops wie Piolo, Garten-und-Freizeit sowie Betten.de haben Corona-bedingt im vergangenen Jahr eine Boomphase erlebt. Gerade deshalb steht steht das Unternehmen aber auch vor verschiedenen Herausforderungen. Lieferengpässe, Preissteigerungen und lange Vorlaufzeiten bereiten Geschäftsführer Jürgen Schuster und seinem Team Kopfzerbrechen, schließlich spielen Importe aus unterschiedlichen Teilen der Welt eine wesentliche Rolle im Raumschmiede-Geschäftsmodell. Welche Lösungen die Lage verbessern sollen und welche Rolle das neue 50.000 qm große Logistikzentrum in Posen spielt, erklärt Jürgen Schuster im Interview mit Home.Made.Storys.
Home.Made.Storys.: Wie ist die aktuelle Lage bei der Raumschmiede? Und im Hinblick auf den Boom vor einem Jahr, ist eine Normalisierung eingetreten?
Jürgen Schuster: In den letzten Wochen hat sich die Lage deutlich normalisiert. Die Boomphase, die wir seit März 2020 hatten, legte sich gegen Ende des zweiten Quartals 2021.
Home.Made.Storys.: Wie performen die unterschiedlichen Onlineshops in der Gruppe in diesem Jahr?
Jürgen Schuster: Die Umsätze von Piolo und Garten-und-Freizeit liegen zum Halbjahr ziemlich genau in unserer Jahresprognose vom letzten Herbst. Nach einem frühen und starken Start im März hat das Geschäft mit Garten- und Freizeitmöbeln unter dem sehr kalten April und dem nassen Mai etwas gelitten. Betten.de ist im ersten Halbjahr viel stärker als geplant gewachsen. Da machte sich der Corona-bedingte „Cocooning-Effekt“ deutlich bemerkbar.
Home.Made.Storys.: Was sind die aktuellen Herausforderungen bei den Importen?
Jürgen Schuster: Hier gibt es einige unterschiedliche Baustellen, die uns Sorgen machen. Aufgrund der weiterhin bestehenden weltweiten Probleme in der Frachtlogistik, insbesondere bei Containern, sind die globalen Transportkapazitäten weiterhin nicht ausreichend. Dies führt vor allem im Überseehandel zu viel zu geringen Frachtkapazitäten und als Konsequenz natürlich auch zu deutlich höheren Kosten.
Ein weiteres Problem sind sich abzeichnende Lieferengpässe, die sowohl durch Logistikprobleme als auch durch lokale Rohstoffknappheiten verursacht werden. Die Vorlaufzeiten für Produktlieferungen sind dadurch länger geworden und haben sich bei einigen Herstellern auf fast ein Jahr erhöht. Gleichzeitig ist die Nachfrage bei vielen Produkten zurzeit höher als die aktuell lieferbaren Stückzahlen. Ohne diese Lieferengpässe könnten wir deutlich mehr Artikel verkaufen. Dies wird auch noch im nächsten Jahr ein Thema sein.
Besondere Sorge machen uns im Augenblick die stark steigenden Corona-Infektionszahlen in den großen Herstellerländern Vietnam und Indonesien. Aufgrund der hohen Fallzahlen und der daraus resultierenden Einschränkungen kommt es bereits zu vereinzelten Produktionsstopps. Wir befürchten, dass sich diese Lage noch verschlechtert und es dadurch zu weiteren Lieferengpässen oder sogar ausfällen kommen könnte. Dies hätte dann Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Artikeln für 2022. Und das wäre natürlich sehr kritisch für uns und die gesamte Gartenmöbelbranche.
Home.Made.Storys.: Wie reagieren Sie auf diese Herausforderungen?
Jürgen Schuster: Wir haben unsere (Vor-)Bestellungen zeitlich zum Teil erheblich vorgezogen. Aber dies ist nicht in allen Ländern und bei allen Herstellern in gleichem Maße möglich. Vor allem größere Corona-Ausbrüche mit regionalen Schließungen wären natürlich ein Riesenproblem, weil wir in unserer Branche nicht kurzfristig auf Produktionsausfälle reagieren können.
Wir suchen daher immer nach alternativen und parallelen Bezugsquellen, etwa in Ost- und Südeuropa. Aber es ist natürlich schwierig, da wir ja dabei auch stets unserem Qualitätsanspruch treu bleiben. Gleichzeitig wollen wir stabile Lieferantenbeziehungen, da wir und unsere Kunden von langfristigen und vor allem guten Beziehungen auf vielfache Art profitieren.
Home.Made.Storys.: Welche Rolle spielt das 50.000 qm große Logistikzentrum in Posen?
Jürgen Schuster: Aufgrund unseres konstant starken Wachstums müssen wir uns rechtzeitig auf unseren zukünftigen Logistikbedarf vorbereiten. Nach der geplanten Fertigstellung Ende dieses Jahres wird unser Logistikpark Anfang 2022 seinen Betrieb aufnehmen. Damit sind wir dann an unserem Standort Posen für die nächsten Jahre zukunftssicher aufgestellt. Die nutzbare Logistikfläche wird gegenüber dem heutigen Standort mehr als verdoppelt. Der Park wird außerdem über 76 Verladerampen und vier Einfahrtstoren sowie 30 Stellplätze für LKW verfügen. Damit verfügen wir über eine nachhaltige Basis für längerfristiges Wachstum. Zusätzlich schaffen wir für die Menschen der Region mindestens 100 neue Arbeitsplätze.
Home.Made.Storys.: Wie gehen Sie mit Preissteigerungen um?
Jürgen Schuster: Wir versuchen, unsere Frachtkosten durch sehr flexible und vorausschauende Containerbuchungen zu reduzieren. Bei den Produkten in unserem Sortiment schauen wir mittlerweile weltweit nach dem jeweils bestmöglichen Preis-/Leistungsverhältnis für unsere Kunden. Wenn unsere Preisschwellen überschritten werden, nehmen wir teilweise anstelle der zu teuren Artikel alternative hochwertige Produkte in unsere Shops. Gleichzeitig bestellen und bezahlen wir unsere Bestellungen möglichst frühzeitig zu „alten“ Preisen. Durch diese Maßnahmen können wir einige der globalen Preissteigerungen vermeiden oder zumindest abfedern. Aber da sich momentan die gesamte Welt in einer Teuerungsspirale befindet, werden wir auch in 2022 nicht um Preiserhöhungen herumkommen.
Home.Made.Storys.: Wie sieht die Prognose in Bezug auf den weiteren Geschäftsverlauf 2021 aus? Wo werden Sie umsatzmäßig landen?
Jürgen Schuster: Für Garten-und-Freizeit erwarten wir im zweiten Halbjahr Umsätze auf dem Niveau des Vorjahres, für 2021 rechnen wir insgesamt mit einem deutlich zweistelligen Umsatzwachstum. Piolo fängt ja gerade erst an, richtig durchzustarten und wird sich unserer Einschätzung nach sehr gut entwickeln, da gehen wir von einem Umsatzwachstum von ca. 50 Prozent aus. Betten.de ist im ersten Halbjahr viel stärker als geplant gewachsen und bewegt sich im Augenblick im für den Sommer vorauskalkulierten Bereich. Für das Gesamtjahr 2021 gehen wir daher von einem starken Wachstum aus, aber das hängt auch vom anstehenden Herbst- /Wintergeschäft ab.
Home.Made.Storys.: Wie wird sich die logistische Situation im weiteren Jahresverlauf entwickeln?
Jürgen Schuster: Wir gehen davon aus, dass die Situation im Bereich der B2C-Transporte weiterhin angespannt bleiben wird, obwohl sich die Lage im Vergleich zum ersten Halbjahr etwas gebessert hat. Es gibt aktuell weniger Auslieferdepots, die wegen Corona ganz oder teilweise ausfallen und die Kapazitäten der Dienstleister wurden zumindest etwas hochgefahren. Gleichzeitig flaut der Corona-bedingte Bestellboom im Onlinehandel hierzulande wieder etwas ab. Die Extremsituation des vergangenen Frühjahrs wird sich unserer Ansicht nach daher nicht mehr wiederholen.
Ein großes Logistikproblem bleibt jedoch auf der Beschaffungsseite bestehen. Beim aktuell riesigen globalen Containerengpass, der etwa durch die verzögerte Abfertigung der Containerschiffe in den Umschlaghäfen oder den fehlenden Rücklauf leerer Container nach Asien verursacht wird, sehen wir keine Entspannung. Hier bleibt die Lage wohl mindestens bis 2022 sehr angespannt.
Home.Made.Storys.: Welche weiteren Stellschrauben bewegen Sie gerade noch im Unternehmen?
Jürgen Schuster: Nachdem wir unsere Logistik 2021 langfristig zukunftsfähig aufgestellt haben, werden wir 2022 vor allem in unsere IT-Infrastruktur und in weitere Software-Entwicklung, etwa bei unserem Webshop oder ERP-System, investieren.
Home.Made.Storys.: Wie sind Ihrer Ansicht nach die Aussichten für Möbel insgesamt?
Jürgen Schuster: Durch den Corona-Boom sind einige Marktentwicklungen schneller erfolgt als prognostiziert. Entsprechend wird nach unserer Einschätzung daher auf den riesigen Wachstumssprung 2020 – 2021 im kommenden Jahr eine Plateauphase folgen. Im laufenden Jahrzehnt rechnen wir insgesamt mit starken, aber noch gesunden Wachstumsraten. Diese Entwicklung erwarten wir für alle Segmente des Online-Möbelhandels.
Der große Unsicherheitsfaktor ist und bleibt zumindest mittelfristig das Problem der aus dem Takt geratenen globalen Logistik. Wir erwarten hier keine Besserung vor dem Sommer 2022. Und auch dann nur, wenn sich die aktuellen Störungen auflösen können und keine neuen hinzukommen.