Harald Prokscha managt das Portal weitergeben.org, auf dem gebrauchte Möbel weitervermittelt werden, um so deren Lebensdauer zu verlängern. Er ist einer der Initiatoren dieses Gebrauchtmöbel-Projekts und sieht einen neuen Markt heranwachsen, der allerdings noch ganz am Anfang der Entwicklung steht. Für die Verlängerung der Wertschöpfungskette braucht es (handwerkliche) Expertise, Intelligenz und neue Vermarktungswege. Im Interview berichtet er von den Hürden und Chancen des Gebrauchtmöbelmarktes.
Home.Made.Storys.: Herr Prokscha, worin besteht der Ansatz von weitergeben.org?
Harald Prokscha: Es geht uns um eine längere Nutzungsdauer von Möbeln, indem wir sie weitervermitteln. Wir gehen ökologisch sinnvoll vor und bauen ein Netzwerk auf, bei dem Hersteller, Neu- und Zweit-Handel, Logistik und Reparatur-/Upcycling-Unternehmen, schneller und vor allem deutlich größere Volumen in die Weiternutzung bringen können.
Home.Made.Storys.: Wie viele Möbel werden jedes Jahr weggeschmissen und was passiert mit Ihnen?
Harald Prokscha: Das sind etwa 50 Millionen Möbelstücke pro Jahr und die meisten davon sind in einem guten oder leicht reparierbaren Zusand. Sie werden in den Sperrmüll gegeben und zu nahe 100 Prozent verbrannt.
Home.Made.Storys.: Wie verdienen Sie selbst Geld mit Ihrem Modell?
Harald Prokscha: Einen Großteil der Einnahmen generiert unsere Vermittlungs-Basis-Leistung mit 1,- Euro pro Gegenstand sowie die nachhaltige Stichtagsräumung, die nach Aufwand berechnet wird.
Home.Made.Storys.: Wie groß ist aktuell der Markt für Gebrauchtmöbel in Deutschland?
Harald Prokscha: Etwa 15 Prozent aller Gebrauchtmöbel werden hierzulande verkauft – über persönliche Kontakte oder Online-Plattformen. Ein Grund für diesen geringen Anteil ist, dass Möbel sich wie Textilien zu Wegwerfprodukten entwickelt haben und deren Qualität in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hat. Die Umstände, dass Möbel schwer und groß, teuer im Transport – denn sie sollen ja unbeschädigt ankommen – und die Lagerkosten hoch sind, macht Gebrauchtmöbel für den Second-Hand-Markt nicht lukrativ.
Home.Made.Storys.: Gibt es gesetzliche Regelungen?
Harald Prokscha: Leider existieren hilfreiche ökologisch-nachhaltige Vorgaben für Möbelbesitzer nicht, zudem widersprechen sich Produkt- und Nachhaltigkeits-Regelungen.
Home.Made.Storys.: Wie aufwendig ist die Aufbereitung der Möbel in der Regel?
Harald Prokscha: Das lässt sich gar nicht so einfach sagen. Mein Eindruck ist, dass in Deutschland das handwerkliche Know-how und die Kreativität in diesem Bereich verkümmert. Weil es so wenige Praktiker gibt, scheitern Überlegungen, ob eine Aufarbeitung sinnvoll ist in der Regel schon im Ansatz.
Home.Made.Storys.: Sie sind mit Ihrem Anliegen das Feindbild des Einzelhandels, der ja Neumöbel verkaufen möchte und muss? Oder sehen Sie das anders bzw. neue Handelsmodelle?
Harald Prokscha: Es ist erschreckend, wie wenigen Unternehmer:innen bewusst ist, dass der Markt vor einer riesigen Veränderung steht. „Gebraucht“ ist das bisherige „neu“, Gesetzesentwürfe in der EU verfolgen dieses unmissverständliche Ziel. Zwar hat Ikea noch kein Wirtschaftsmodell dafür, aber der Konzern hat verstanden, dass er künftig mit Materialkreisläufen arbeiten und so Geld verdienen muss. Mit dieser Erkenntnis ist Ikea den meisten anderen Playern weit voraus. Deshalb sehen wir uns als Teil der Lösung für Hersteller und Handel, um Rohstoffe künftig verantwortungsbewusster einzusetzen.
Home.Made.Storys.: Glauben Sie, dass der Gebrauchtmöbelmarkt zum Mainstream werden kann oder reden wir über eine Nische?
Harald Prokscha: Ich bin sicher, dass künftig jede Branche umweltfreundlicher handelt und die Entnahme von Rohstoffen aus der Natur auf ein Minimum reduziert. Entsprechend wird es darum gehen, Produkte aus schon vorhandenen Materialien zu schaffen – mit einem Wiederverwertungsgrad von bis zu 90 Prozent. Davon wird der Möbelmarkt genauso betroffen sein wie alle anderen Branchen, vielleicht sogar noch viel mehr aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs.
Home.Made.Storys.: Wie stellen Sie Öffentlichkeit für das Thema her?
Harald Prokscha: Ohne dass wir aktiv werden müssen, kommen bereits Hersteller, Behörden und Konzerne auf uns zu, um im Gebrauchtmöbelbereich nachhaltig tätig zu werden.